Als es die Lebensumstände endlich ermöglichen, erlebt der diplomierte Chemiker noch rechtzeitig die «Biobiege» und wird das, was er insgeheim immer schon werden wollte: Künstler. Es ist durchaus ein Wechsel von der Chemie zur Alchemie. Die mögliche Ein-sicht dazu: «Nur der Zufall und bewusst alogische Handlungen besitzen die Fähigkeit zu kreativer Neuordnung außerhalb der Zone von Routinen. Der Zufall hat ein Paradoxon in sich: Er benötigt ein Ziel.» (FN 1: zitiert nach «Spaß», auf der Website: www.liebmann.de/text3.htm (Stand: Februar 2009)
Der heute in Berlin lebende Maler Werner Liebmann (geb. 1951) ist in der Ausstellung auf Schloss Achberg mit mehreren Ölgemälden vertreten, darunter ‹Der Fluss› von 2008 (200 x 140cm) aus der 2006 begonnenen, gleichlautenden Serie und ‹Winternacht› von 2009 (100 x 130cm). Alle ausgewählten Gemälde sind im Kontext der Ausstellung auf Schloss Achberg entstanden. Sie gehören jedoch in einer Werkphase Liebmanns, die schon zu Beginn des Jahrtausends einsetzt. Zwar bleibt die ‹Farbigkeit› der früheren Gemälde weiterhin an Max Beckmann, dem Otto Dix der 1920er Jahre, Willi Sitte und Bernhard Heisig orientiert, doch hat sich eine neue naivere Realistik eingestellt, die jetzt als bukolische Idylle aufgehen kann.
Was noch in den 1980er Jahren zu einer Land-schaft des ‹real existierenden Surrealismus› führen und in den 1990er Jahren sich zur Quelle des Grotesken à la James Ensor aufwachsen konnte, erscheint nun in den neue-ren Arbeiten so, als ob sich der Expressionismus und seine weltweiten Spätfolgen mit Henri Rousseau, Jean-Francois Millet und Marc Chagall verbrüdert hätten, um in einer postmodernen Melange zusammen fröhliche, aber gleichermaßen ernsthafte Urstände zu feiern.
Der Künstler: «Landschaft ist der Versuch einer Ordnung nach möglichen Prinzipien wie (ich nenne nur Beispiele) Ruhe, Chaos, Symmetrie, Fülle, Meditation … Und das Tolle daran ist, dass man diese ‹Ordnungsprinzipien› in Verbindung mit emotio-nalen Situationen bringen kann. Auf diese Weise bietet die Landschaft die Möglichkeit einer individuellen Äußerung außerhalb (und doch in der Nähe) abstrakter Bildorganisa-tion. Ein Bild ist ‹fertig› wenn es ‹stark› ist. Unter Umständen zeigt sich das ‹Chaos› dann als Ausweglosigkeit und ein Bild, das ‹meditative Ruhe› sucht, ist frei von allen Dingen, die in andere Richtungen führen wollen.» (FN 2: Werner Liebmann in einer Email an den Autor vom 24. Februar 2009)
Hier wird besonders der Bedeutungswandel deutlich, dem das formale Hauptmerkmal der neuzeitlichen Malerei, die Perspektive, ausgesetzt war, sich ins Subjektive verwandelt hat und im psychisch Temperierten aufgehen konnte. Es ist im Allgemeinen ein Wandel vom Objektiven der Anschauung in das Subjektive der Stimmung. Das bildhaft deutlich zu machen und exemplarisch zu zeigen ist Anliegen der Ausstel-lung auf Schloss Achberg. Und Werner Liebmanns Malerei ist ein gutes Beispiel dafür. Eine Perspektive-Geschichte der Landschaft beschreibt also den Wandel von der Au-ßensicht zur Innenschau, von der ‹Landnahme› zum Stimmungsbild, vom objektiv geo-metrischen Konstruktionsverfahren (für eine vorfotografische Malerei ist sie mathemati-sche Realität und Bedingung für ein projektives Abbild der vorgefundenen Natur) zur gefühlten Perspektive des Künstlers.
Als Werner Liebmann nach dem Diplom bei dem Maler und Grafiker Hannes H. Wagner (geb. 1922) in Halle von 1983 bis 1986 Bernhard Heisigs Meisterschüler an der Hoch-schule für Grafik und Buchkunst in Leipzig wird, ist er offen für dessen subkutanen poli-tikkritischen Transport, der sich oft des unauffällig daher kommenden Grotesken bedient. Liebmann gehört bereits einer Generation an, die ein Ohr für die als dekadent ver-schrieene Westkultur entwickeln konnte, deren Infektionswege trotz Einmauerung und medialer Konkurrenz gegen den RIAS durch Einrichtungen wie dem ‹DT 64› und der ‹Elf 99› einfach nicht in den DDR-Griff zu bekommen waren. Die frische Sogwirkung durch Beatles und Rolling Stones scherte sich einfach um keine Grenzen. Und Frank Zappas unglaublich rotzig daher kommende Gesellschaftskritik war so ganz anders als die kon-trollierte Renitenz der FDJ-Schlagzahlgeber. (FN 4: «…ein kleines Dankeschön an Frank Zappa, der mir geholfen hat, in der DDR-Enge nicht zu verblöden.» In: «Keine Rede», auf der Website: www.liebmann.de/text11.htm (Stand: Februar 2009)
Mit seiner Sensibilität für die dahinter liegenden Dinge im Leben wie die Malerei hatte Werner Liebmann etwas Überlebenswichtiges gelernt: Alles muss im Fluss bleiben. Dies steht in seinem Dynamikanspruch unschlagbar für alles, was leben und überleben will. Für eine solche Aussage hat Liebmann seine groß angelegte Landschaftsmetapher mit der Serie ‹Der Fluss› entwickelt.
Diese Metapher ist sein ideologiefreier Lackmustest, und kann als Indikator für das gesamte Landschaftswerk des Künstlers gesehen werden. Es ist sein unmittelbar ahnendes Erfassen der gegebenen Umstände. Und so gilt Werner Liebmanns Erkenntnis leitendes Interesse vorwiegend den Möglichkeiten seiner Intuiti-on. Die wiederum begegnet ihm nicht als Plan und Konstruktion, sondern als ewige Wiederkehr von Versuch und Änderung in der Annäherung an die Unmittelbarkeit von ‹Landschaften›. Und hier agieren all seine Farben und Aspekte als im Fluss bleibende Forschungsreisende.
Der heute in Berlin lebende Maler Werner Liebmann (geb. 1951) ist in der Ausstellung auf Schloss Achberg mit mehreren Ölgemälden vertreten, darunter ‹Der Fluss› von 2008 (200 x 140cm) aus der 2006 begonnenen, gleichlautenden Serie und ‹Winternacht› von 2009 (100 x 130cm). Alle ausgewählten Gemälde sind im Kontext der Ausstellung auf Schloss Achberg entstanden. Sie gehören jedoch in einer Werkphase Liebmanns, die schon zu Beginn des Jahrtausends einsetzt. Zwar bleibt die ‹Farbigkeit› der früheren Gemälde weiterhin an Max Beckmann, dem Otto Dix der 1920er Jahre, Willi Sitte und Bernhard Heisig orientiert, doch hat sich eine neue naivere Realistik eingestellt, die jetzt als bukolische Idylle aufgehen kann.
Was noch in den 1980er Jahren zu einer Land-schaft des ‹real existierenden Surrealismus› führen und in den 1990er Jahren sich zur Quelle des Grotesken à la James Ensor aufwachsen konnte, erscheint nun in den neue-ren Arbeiten so, als ob sich der Expressionismus und seine weltweiten Spätfolgen mit Henri Rousseau, Jean-Francois Millet und Marc Chagall verbrüdert hätten, um in einer postmodernen Melange zusammen fröhliche, aber gleichermaßen ernsthafte Urstände zu feiern.
Der Künstler: «Landschaft ist der Versuch einer Ordnung nach möglichen Prinzipien wie (ich nenne nur Beispiele) Ruhe, Chaos, Symmetrie, Fülle, Meditation … Und das Tolle daran ist, dass man diese ‹Ordnungsprinzipien› in Verbindung mit emotio-nalen Situationen bringen kann. Auf diese Weise bietet die Landschaft die Möglichkeit einer individuellen Äußerung außerhalb (und doch in der Nähe) abstrakter Bildorganisa-tion. Ein Bild ist ‹fertig› wenn es ‹stark› ist. Unter Umständen zeigt sich das ‹Chaos› dann als Ausweglosigkeit und ein Bild, das ‹meditative Ruhe› sucht, ist frei von allen Dingen, die in andere Richtungen führen wollen.» (FN 2: Werner Liebmann in einer Email an den Autor vom 24. Februar 2009)
Hier wird besonders der Bedeutungswandel deutlich, dem das formale Hauptmerkmal der neuzeitlichen Malerei, die Perspektive, ausgesetzt war, sich ins Subjektive verwandelt hat und im psychisch Temperierten aufgehen konnte. Es ist im Allgemeinen ein Wandel vom Objektiven der Anschauung in das Subjektive der Stimmung. Das bildhaft deutlich zu machen und exemplarisch zu zeigen ist Anliegen der Ausstel-lung auf Schloss Achberg. Und Werner Liebmanns Malerei ist ein gutes Beispiel dafür. Eine Perspektive-Geschichte der Landschaft beschreibt also den Wandel von der Au-ßensicht zur Innenschau, von der ‹Landnahme› zum Stimmungsbild, vom objektiv geo-metrischen Konstruktionsverfahren (für eine vorfotografische Malerei ist sie mathemati-sche Realität und Bedingung für ein projektives Abbild der vorgefundenen Natur) zur gefühlten Perspektive des Künstlers.
Als Werner Liebmann nach dem Diplom bei dem Maler und Grafiker Hannes H. Wagner (geb. 1922) in Halle von 1983 bis 1986 Bernhard Heisigs Meisterschüler an der Hoch-schule für Grafik und Buchkunst in Leipzig wird, ist er offen für dessen subkutanen poli-tikkritischen Transport, der sich oft des unauffällig daher kommenden Grotesken bedient. Liebmann gehört bereits einer Generation an, die ein Ohr für die als dekadent ver-schrieene Westkultur entwickeln konnte, deren Infektionswege trotz Einmauerung und medialer Konkurrenz gegen den RIAS durch Einrichtungen wie dem ‹DT 64› und der ‹Elf 99› einfach nicht in den DDR-Griff zu bekommen waren. Die frische Sogwirkung durch Beatles und Rolling Stones scherte sich einfach um keine Grenzen. Und Frank Zappas unglaublich rotzig daher kommende Gesellschaftskritik war so ganz anders als die kon-trollierte Renitenz der FDJ-Schlagzahlgeber. (FN 4: «…ein kleines Dankeschön an Frank Zappa, der mir geholfen hat, in der DDR-Enge nicht zu verblöden.» In: «Keine Rede», auf der Website: www.liebmann.de/text11.htm (Stand: Februar 2009)
Mit seiner Sensibilität für die dahinter liegenden Dinge im Leben wie die Malerei hatte Werner Liebmann etwas Überlebenswichtiges gelernt: Alles muss im Fluss bleiben. Dies steht in seinem Dynamikanspruch unschlagbar für alles, was leben und überleben will. Für eine solche Aussage hat Liebmann seine groß angelegte Landschaftsmetapher mit der Serie ‹Der Fluss› entwickelt.
Diese Metapher ist sein ideologiefreier Lackmustest, und kann als Indikator für das gesamte Landschaftswerk des Künstlers gesehen werden. Es ist sein unmittelbar ahnendes Erfassen der gegebenen Umstände. Und so gilt Werner Liebmanns Erkenntnis leitendes Interesse vorwiegend den Möglichkeiten seiner Intuiti-on. Die wiederum begegnet ihm nicht als Plan und Konstruktion, sondern als ewige Wiederkehr von Versuch und Änderung in der Annäherung an die Unmittelbarkeit von ‹Landschaften›. Und hier agieren all seine Farben und Aspekte als im Fluss bleibende Forschungsreisende.